MARTIN BARESCH = MARTIN EISELE =
»DER MÄRCHENMEISTER«
Portrait von Max Ahrens
»Martin Eisele, den (…) einiges mit Roland Emmerich verbindet, hat (…) in den letzten zwei Jahren die wohl bemerkenswerteste Karriere
unter den deutschen SF- und Fantasyautoren gemacht. Zum einen mit dem Filmroman »Das Arche Noah-Prinzip«, zum anderen mit der bereits sechs Bände umfassenden Fantasy-Jugendbuchserie Camelon, die
sich zu einem Auflagenrenner entwickelt …«
HANS JOACHIM ALPERS
Im Nachwort zu »Science Fiction Almanach 1986, Moewig Verlag, ISBN: 3-8118-3690-0.
»Der Schriftsteller, der beim Schreiben nur ans Geld denkt, ist ein Schwein … und derjenige, der beim Schreiben gar nicht ans Geld denkt, ist
ein dummes Schwein.«
HEINRICH BÖLL, frei zitiert nach einer Plauderei übers Schreiben während eines zufälligen Treffens in Mutlangen ;-)
Was wäre, wenn ein Autor, der jahrelang zuverlässig, soll heißen: termingetreu, Romane schreibt und veröffentlicht wie »Das Arche Noah-Prinzip«, »Joey«, »Karate Kid«, Hollywood
Monster«, »Eye of the Storm«, »Moon 44«, »Stargate«, »Stargate SG-1: Kinder der Götter« und, nach eigenem Treatment, jene der »Camelon«-Serie, der dazuhin seit 1978 als Übersetzer gefragt
ist und ab 1984 genauso erfolgreich für Filmprojekte arbeitet wie etwa »Nekropol«, dem späteren Kinowelterfolg »Stargate« … wenn so einer, scheinbar plötzlich, nicht mehr funktioniert?
Antwort: Dann tun sich Verleger schwer damit. Dann beginnt ein Abenteuer, ein drachenmäßig aufregend-verrücktes, wie Zwerge zu sagen pflegen würden. In Martins Fall allerdings begann eins mit
einem ganz speziellen Drachen.
Letzten Endes wurde daraus das, was Martin Baresch heute sein »zweites Leben, auch als Autor« nennt. 1999, nach Vorlage eines umfangreichen Treatments mit dem Titel
»Märchenmeister«, wurde er von seinem Mentor Hansjörg Weitbrecht, damals immerhin Inhaber und Verleger der renommierten Verlage Thienemanns/Edition Weitbrecht, als solcher begeistert hochgelobt
und mit Unsummen gefördert und an den Verlag gebunden. Rasch sollte aus dem einen Roman mit 500 Seiten eine Trilogie mit insgesamt 1.500 Seiten werden …
Und dann konnte Martin die ersten Abgabetermine gleich für den ersten Roman nicht einhalten – aber, typisch harter Kerl, der er damals wie heute vor allem gegen sich selber ist: er konnte und
wollte nicht darüber reden, dass es ihm gesundheitlich trotz endloser Ärzteodyssee schlecht ging, scheinbar unerklärlich.
Dass Weitbrecht, als der Autor sich ihm endlich öffnen konnte, jede Erklärung zwar für Ausreden hielt, die Fristen aber lange ein ums andere Mal verlängerte, spricht sehr für ihn. Aber auch für
Martins Projekt. Kein Wunder. Die Werbung lief, die Buchumschläge mit Goldprägung waren gedruckt, nicht wenige Auslandsrechte, darunter in den englischen Sprachraum, verkauft. Und aus Martins
ursprünglich positiv gebrauchten Spitznamen »Märchenmeister« im Stuttgarter Verlag wurde ein Spottname.
Es zählte wenig, dass der bereits schwerkrank geschriebene Roman »Stargate SG-1: Kinder der Götter« bereits ein halbes Jahr nach Erstveröffentlichung in 2. Auflage gedruckt wurde. Auch die
überschwänglich gelobten, fast zeitgleich geschriebenen Krimis »Tatort – Bluthunde« (auf Basis des Drehbuchs von Norbert Ehry) und »Lena Odenthal, die Neue« (wieder auf Basis eines Drehbuchs von
Norbert), das Martin auf Wunsch von Odenthal-Darstellerin Ulrike Folkerts unter einem weiblichen Pseudonym veröffentlichen ließ - Emma Haug, dem Namen seiner Großmutter, konnten die Stimmung
nicht mehr drehen. Und wirklich niemand konnte vorhersehen, dass sich das erst 2008 veröffentlichte Hörbuch zum Roman »Tatort – Bluthunde« dank Vertrieb in hoher Auflage via Aldi zum Erfolgstitel
des Tandem Verlags entwickeln würde.
Ab 1999 konnte Martin jene Nehmerqualitäten beweisen, die bis hin zum »Kleinen Sohn des Unsichtbaren Volkes« alle seine Heldinnen und Helden auszeichnen.
Es sollte noch Jahre dauern, bis die richtige Diagnose gestellt und Martin Baresch, fast zu spät, operiert und nach knapp zehn Monaten Nachbehandlung wieder gesund war. Dass er
ruhelos, gegen den Rat seiner Ärzte, längst schon wieder gearbeitet hatte, man ahnt es. Weil er zwar zum Glück keinen Wasserkopf aber einen »Ideenkopf« habe.
Nur: Wie Martin auf seine ganz eigene Art und Weise wieder gesund wurde, da wurden Edition Weitbrecht und Thienemanns Verlag verkauft, die gedruckt vorliegenden
»Märchenmeister«-Buchumschläge für den Roman eines anderen Autors verwertet. Weitbrechts einstiger Verlagsleiter Roman Hocke, der Martin einmal privat, bei Kaffee und Plätzchen, für seine in
Gründung befindliche literarische Agentur AVA-International, heute ein Schwergewicht der Branche, hatte anwerben wollen, schickte für eine Jugend-TV-Serie erbetene Treatments kommentarlos an
Martin zurück.
Seinen Weg zurück ins Leben - »sein geschenktes zweites« -, begann für den Autor Martin Baresch mit Scheidung, einer wilden Lebensgier … und einem Besuch im Bindlacher Loewe
Verlag, auf Einladung des Verlegers Volker Gondrom. Dem hatte Martin mit einer hochgelobten Übersetzung des Nancy Farmer-SF-Thrillers »Das Skorpionenhaus« den renommierten Preis für
Jugendliteratur »Buxtehuder Bulle« 2003 beschert. 1979 erhielt Michael Ende den Preis zuerkannt. Zur Preisverleihung am 20. September 1980 schrieb er: »Zeit ist Leben und das Leben wohnt im
Herzen, und je mehr die Menschen daran sparen, desto weniger haben sie.«
Zeilen, wie sie für den Autor von »Momo«, einem von Martins Lieblingsbüchern, typisch sind. Und die Martin künftig leben wollte.
Jedenfalls, nach dem Treffen mit Gondrom ging es los damit, und mit Reisen und, wie Martin in einem dreiteiligen Interview mit Zauberspiegel-online erzählte, »mentaler Hygiene«. Vor allem aber
einer anderen Sicht der Welt, insbesondere der Verlagswelt.
Er nutzte die Chance, die ihm der Verleger des Loewe Verlags bot – und begann »sozusagen unterwegs« Jugendbücher zu schreiben und zu übersetzen und, inspiriert von seinem Lieblingsmenschen,
»leben und arbeiten neu zu lernen«.
Martin Bareschs »Entdeckergeschichten«-Buch, in der beliebten Reihe Leselöwen veröffentlicht, entwickelte sich zum Best- und Longseller. Nachgedruckt wurde der Titel u.a. bei
Bertelsmann Club, in einer schönen Hardcover-Ausgabe zusammen mit Ulli Schuberts »Schatzsuchergeschichten«, 2. Auflage 2008.
Martin gab das große Haus mit dem verwunschenen großen Garten trotzdem auf. Und blieb beim Reisen und Übersetzen. Noch. Er hatte begriffen, dass er bis zu seinem ganz persönlichen Crash
eigentlich nur gearbeitet und viel zu wenig gelebt hatte … einerseits, weil er es liebte zu schreiben, andererseits, weil er sich von einem vorrangig an Provisionen interessierten Agenten und
»tausend« Ablieferungsterminen permanent hatte antreiben lassen.
Das geschenkte zweite Leben lebte und lebt er konsequent anders. Vorab-Buchverträge, die ihm bisher zwar fünfstellige Honorare garantiert hatten, ihm im Gegenzug aber Terminpläne
aufzwangen, in dem Leben und/oder persönliche Schicksalsschläge nicht vorgesehen sind, akzeptierte er nie wieder.
Stattdessen schrieb er Kinder- und Jugendbücher und vermehrt Thriller unter geschlossenem Pseudonym auf eigenes Risiko. Angekauft wurden sie fast alle, von großen wie kleineren Publikumsverlagen.
Als seine ersten Titel schließlich auf Bestsellerlisten auftauchten, verzichtete er dankend auf den großen Ruhm und Rummel und Signier-Touren durch Kaufhäuser, wie zu »Camelon«-Zeiten. Lieber
tüftelte er an Ideen, wie man Romane in aller Ruhe selber verwerten kann; aus einer solchen Tüftelei, bei Kaffee und Müsli in der Stuttgarter Hugendubel-Buchhandlung, zusammen mit seinem
langjährigen Freund, dem Filmbuch-Autor und Redakteur Olaf Rappold, entstand der E-Book-Verlag »red.sign-media« als zweites Standbein des in der Verlagsbranche sehr gut beleumundeten
Verlagsdienstleisters red.sign (für Redaktion & Design), der u.a. die »Lonely Planet«-Reihe betreut und bei dem Martin ab 2012 »nebenher« das im E-Book veröffentlichte, was er bis heute
Lieblingsprojekte nennt.
Hauptberuflich entwickelte er Roman- und Film-Treatments, schrieb »seine« Romane und Drehbücher für Filme und TV-Serien. Einige Produktionen, die für Streaming-Dienste bereits vorbereitet wurden,
liegen seit Ausbruch der Corona-Pandemie Anfang 2020 auf Eis.
Dafür schrieb Martin mehr für »seinen« Hausverlag. Und für >thrillkult. Hier vor allem an seinen Cleaner-Thrillern und anderen Lieblingsprojekten, die nach seiner Vorgabe insbesondere seiner
Liebe für phantastisch-spannende Abenteuer gerecht werden sollen. Und, zu unserer Freude, seiner Vielseitigkeit gerecht werden. Oder seinen besonderen literarischen Vorlieben. Für keinen der
beiden genannten aber produzierte er jemals wieder in Massen, so wie früher. Und auch nie wieder »abhängig«.
Einzelne »Entdeckergeschichten« Martins wurden und werden bis heute nachgedruckt – »Flaschenpost« etwa im großformatigen, durchgehend farbig illustrierten Hardcover »Die
allerbesten Leselöwen-Geschichten« (mit Leselöwen-CD) und in der gebundenen TB-Ausgabe »Die besten Leselöwen-Piratengeschichten«.
»Auf Entdeckungstour« kam im durchgehend farbig illustrierten Taschenbuch »Drachen, Nixen, Zauberer« nochmals zu Ehren.
»Didi entdeckt Amerika« in dem Hardcover »Drachenstark und torgefährlich« sowie in dem bis 2021 bislang schon in fünf Auflagen gedruckten großformatigen Hardcover (die ersten beiden
Auflagen 2015 mit leinengebundenem Buchrücken) »Das Vorlesebuch für kleine starke Helden«, farbig bebildert von Dirk Hennig, Hrsg. Sandra Rothmund im Thienemann-Esslinger Verlag.
An der Seite von u.a. Cornelia Funke, Michael Ende und Otfried Preußler veröffentlicht zu werden – das ist »pure Freude«, findet Martin, weil er mit Preußlers und Endes Geschichten aufgewachsen
und von ihnen geprägt sei.
Das »Leselöwen«-Hörbuch veröffentlichte Jumbo Medien 2008. Von der AG Jugendliteratur und Medien der GEW wurde es hochgelobt: »Das Zuhören ist der reinste Ohrenschmaus!«).
Damit zurück zu den eingangs erwähnten drachenmäßig aufregend-verrückten Abenteuern. Zu denen ohne den ganz speziellen Drachen Krankheit.
Theatralisch ausgedrückt im Jahr zweiundzwanzig nach »Märchenmeister« kam der »kleine Sohn des Unsichtbaren Volkes« Ende März 2021 unter Martins seit 1995 rechtsverbindlichem,
richtigen Namen in Kooperation mit Gloryboards als gebundene Ausgabe, Paperback und E-Book in den Handel, exklusiv vertrieben von Amazon. Illustriert und gestaltet wurde dieses Buch von einem
ebenbürtigen Könner seines Fachs – dem Illustrator Lars Vollbrecht, der mit »Lenny blickt durch« schon ein wunderschönes Kinderbuch vorweisen kann, hauptberuflich für die Werbebranche Comics,
Storyboards, Buch- und Hörspiel-Cover gestaltet und seit 2019 auch Covergestaltung und Design von Martins Titeln bei >thrillkult verantwortet.
Am 1. April 2021 feierte Martin Baresch mit diesem Märchenroman dann auch sein 45stes Berufsjubiläum als selbstständiger Autor … und als Märchenmeister, wie man heute wohl wieder
zu Recht ohne Spott sagen kann. Und muss.
P.S.:
Fünfundvierzig Jahre Schreiben und Veröffentlichen – das sind in Summe viele Höhen und bis heute nicht wenige (gesundheitlich bedingte) Tiefen. Zu denen Martin Baresch aber
steht, körperlich hin und wieder ganz schön geschwächt, aber jung im Kopf: »... die Tiefen gehören dazu, zum Leben. Fand ich anfangs erstmal gemein. Aber letzten Endes hab ich so auch eine
Resilienz in mir drin kennengelernt und mich als Mensch und Schreiberling weiter entwickelt. Nach so einem Ding siehst du schon Vieles gelassener und jammerst ganz unheldenhaft höchstens mal kurz
im stillen Kämmerlein über die seit Ende 2020 zunehmenden Aggressionen vieler (aber glücklicherweise nicht aller!) Menschen. Und der, zumindest meiner Erfahrung nach, noch viel mehr zunehmenden
Gleichgültigkeit vieler (aber glücklicherweise nicht aller!) Ärzte.
Zum Glück folgt nach dem unheldenhaften Modus aber immer auch eine riesengroße Dankbarkeit und darüber dann immense innere Stärke und Empathie für die Welt und das Leben, das ich leben
will.«
Immer noch stärker geworden ist über all diese Jahre jedenfalls Martins Liebe zum Schreiben. Und zum »Viele sein«.
Erstmals ungekürzt. Aktualisiert von Lise Portig, Mai 2021.